Nach vier Jahren habe ich mich wieder dazu entschieden, an einem Testride mit
dem ActionTeam teilzunehmen. Diesmal ging es in den Elsass / die Vogesen. Nach
der gewohnt unproblematischen Anmeldung und der Übersendung der Unterlagen hat
sich auch am eigentlichen Prozedere nichts geändert.
Treffen im Verlagsgebäude, kurze Begrüßung und Rundgang durch die Redaktion
(diesmal geleitet von Thomas Schmieder), danach Übernahme der Motorräder und ab
dafür.
Vor dem "ab dafür" galt es natürlich noch, das Gepäck zu verstauen, was sich bei
dem ein oder anderen Motorrad als echte Herausforderung darstellt. Selbst auf
der Kawa Z750, die ich mir ausgesucht hatte, sind die Gepäckhaken (es gibt nur
noch zwei) so bescheiden angebracht, das ich zum Verzurren meines Bagpacks die
Blinkerausleger bemühen musste. Nur so kann man die Rolle einigermaßen daran
hindern, beim Fahren nach vorne zu rutschen. Fein raus waren die Kollegen auf
der BMW F800R und der KTM 990 Supermoto T; auf den fetten Gepäckbrücken hätte
man auch zwei Rollen verzurren können (warum komme ich da eigentlich erst
hinterher drauf...).
Kawasaki Z750:
"eigentlich" nicht besonders spannend, da Gabi das 2004er Modell ihr eigen
nennt. Ich wollte allerdings schon mal wissen, ob es denn nun einen fühlbaren
Unterschied gibt. Neben den hübscheren Instrumenten und dem nun vorhandenen ABS
bin ich der Meinung, das das Federbein nicht mehr ganz so schwammig ist, mir
aber immer noch zu weich.Einen echten Kaufgrund, warum ich unbedingt auf das
neuere Modell umsteigen müsste, habe ich für mich nicht entdeckt.
BMW F800R:
hmm - ich war hinterher ehrlich gesagt ein bißchen enttäuscht. Im Vorfeld einer
der Maschinen, an denen ich das grösste Interesse hatte. Die Sitzposition hat
mir nicht gepasst, ich saß zu tief und hatte irgendwie das Gefühl, einen
Chopper zu bewegen. Vielleicht lag es daran, das das Mopped mit der niedrigst
möglichen Sitzbank ausgestattet war, selbst für meine bescheidenen 1,78m taugt
das nicht und muß höher.
Der Motor klingt leider irgendwie so, als ob jemand `nen Sack M6er-Muttern beim
Zusammenschrauben vergessen hätte. Kein Vergleich zum Boxerblubbern, ich finde
das Geräusch einfach nur blechern. Dafür allerdings von der objektiven
Performance her wirklich nicht schlecht: sauberer Durchzug aus Kehren im 2.
Gang, beim Beschleunigen dann aber auch drehwillig. Sehr neutral das Fahrwerk,
die Bremse im täglichen Leben als 2-Finger-Bremse etwas zu schwergängig,
dafür aber - zumindestens im Kopf - das ABS-Sicherheitsplus.
Buell XB9SX:
*seufz* nach Jahren mal wieder Buell fahren; ursprünglich sollte die neue
CR1125 dabei sein, daraus wurde aus unerklärlichen Gründen nichts. Am
Lightning-Fahren hat sich nicht geändert, spaßiges Teil als Drittmotorrad für
trockene Strassen, im Nassen finde ich sie immer noch schwierig, da Einlenken
auf der Bremse immer noch nicht funktioniert. Am Testmotorrad fiel diese
weiterhin durch heftiges Rubbeln auf - Bremsscheibe verzogen nach ca. 6500km
finde ich schon krass...
Trotzdem - mir gefallen die Lightnings; schade, das Harley die Marke Buell
aufgibt. Wenn Erik einfach `ne normale Doppelscheibe drangebaut und einen
Kupplungshebel spendiert hätte, den der durchschnittliche Mitteleuropäer
ohne Sehnenscheidentzündung bedienen könnte, dann wären für mich die zwei
wesentlichen Punkte schon erledigt. Ich ertappe mich jedenfalls dabei, in den
bekannten Online-Portalen nach gebrauchten XB12 zu stöbern...
Womit wir, weil es so schön passt, bei der
Harley-Davidson XR1200
angelangt sind. Meine erste "echte" Harley. Ja - ich bin ihr mit richtig viel
Vorurteilen entgegengetreten; manche haben sich bestätigt, manche
erstaunlicherweise nicht.
Da wäre als erstes die Sitzposition: auch wenn das für HD gemäßigt sein soll,
komme ich damit nicht klar: alles, bei dem die Füße vor dem Hintern platziert
werden, fühlt sich für mich nicht wirklich vernünftig an. Dazu blickt man dann
auf einen zugegebenermaßen hübschen Drehzahlmesser, neben dem der billigste
Conrad-Digitaltacho gepflanzt wurde. Kruder, hässlicher Mix. Blinkerbetätigung
mit je einem Taster rechts und links im Prinzip eine gute Lösung; leider ist der
Gasgriff so extrem leichtgängig, das man bei jedem "Rechtsblinken" einen Satz
nach vorne macht, weil man eben Gas gibt.
Genug gemeckert, fahren wir: der "12er" verglichen zum "9er"-Motor aus der Buell
macht nicht wirklich einen Unterschied; beide brauchen 3000/min, besser
3500/min, wenn man nicht nur einfach durchvibriert werden will. Soll es auf der
Landstraße vorwärts gehen, bitte die Nadel über der "4" halten. Getriebe nur mit
Kupplung schaltbar (war eh klar). Das Fahrverhalten: richtig gut - jawoll, das
war eine Überraschung. Die Harley fährt deutlich leichter als die Buell, lenkt
sauber und neutral ein und vermittelt viel Sicherheit. Auch wenn die Bremse eine
hohe Handkraft benötigt, es bremst und mit ein bißchen Einsatz kann man dem
anderen Geraffel beim Hoch- und Runter durch`s Elsass gut folgen.
Warum ich mich auf der HD trotzdem nicht zuhause gefühlt habe, mag daran liegen,
das ich von einem meiner beiden favourites darauf umsteigen musste:
Triumph Street Triple R. "Street Triple" ist ja eine echter Zungenbrecher, beim Aussprechen - nein:
beim Versuch des Aussprechens - spucke ich immer wie ein Lama...
Die ohne "R" kannte ich jedenfals schon und fand sie nett im Odenwald;
angenehmer als die 675 Daytona jedenfalls. Die R ist noch besser! Das straffere
Fahrwerk macht sich aus meiner Sicht deutlich positiv bemerkbar; die Street ist
stabil und handlich, fährt dahin wo man guckt und der Dreizylinder geht schon ab
Drehzahlen vorwärts, wo man einen 4-Füßler erst einmal zwei Gänge
runterschalten muß. Insgesamt ein absolutes Funbike um im wahrsten Sinne des
Wortes Spaß im Winkelwerk zu haben, das einen nicht überfordert - solange es
trocken ist. Ja, da war sie, die Einschränkung. Im Nassen wird sie biestig, was
evtl. auch an den Reifen lag. Die straffen Federelemente fordern ihren Tribut,
wenn man nicht alle Schräubchen auf soft dreht; es zuckt ab und an von der
Hinterhand. Trotzdem hat sie mich nicht enttäuscht und war auch im Nachhinein
neben der
KTM Supermoto T die Maschine, die mir persönlich am Besten gefallen hat.
Der "Kant`n" - oder "die"? Ist auch wurscht, weil: geiles Kurvensuchgerät!
Extrem spritziger Motor mit einer etwas zu giftigen Gasannahme, die einem in
Kehren schon mal die Linie versaut: ein bißchen gewackelt - ups, Satz nach
außen, Gas zu zu - holla, nicht umkippen. Also zwei Finger oben auf den
Bremshebel legen, um wenn überhaupt gaaaanz gefühlvoll korrigieren zu können.
Diese Bremse ist ein Mörder-Hammer-2-Finger-Stopper im Bereich der StVO (auch in
.fr ;-). Das Fahrwerk vermittelt ein tolles Feedback und war mir auch an der
Hinterhand nicht zu weich, wie in manchen Berichten geschrieben. Trotz der hohen
Sitzposition ergibt sich ein "saugendes" Fahrgefühl (ich weiß nicht, wie ich das
anders beschreiben soll), so das man auch im Nassen zügig mit ihr unterwegs
ist.
Dazu passt die Reiseausstattung mit fetter Gepäckbrücke und Handschützern.
Honda CB 1000R: "The Bionycle" - hinterher ist man immer schlauer. Wir, d.h. die Gruppe, haben die Honda bei der abschließenden Beurteilung auf den 1. Platz gewählt. Es ist aber auch erstaunlich, wie die Japaner das hinkriegen: egal ob 1,65m oder 2,00m groß, auf der CB kann jeder bequem sitzen. Der Antrieb ist seidenweich, lässt einen mit 1500/min-Umdrehungen durch den Ort säuseln, aber dann kann man auch ganz ganz böse aufziehen . Die Bremse effektiv, das Instrumentarium komplett; es gibt an der Maschine nichts zu meckern, weswegen sie in einer Bewertung nach "objektivem" Punkteschema einfach ganz oben landet.
Dazu bietet sich die Edelitalienierin Moto Morini Corsaro 1200 als Gegensatz geradezu an:
ist das Ding hübsch! Ich musste sie erst einmal aus allen Positionen
begutachten; alle Details sind mir wahrscheinlich trotzdem nicht aufgefallen.
Aber leider z.T auch zickig im täglichen Umgang, wie z.B. das hakelige
Zündschloss oder der nicht immer ganz einfache Warmstart bewies.
Die Morini hat ein sehr straffes Fahrwerk und die Sitzposition ist ein bißchen
old-style, da man sich zumindestens bei meiner Körpergröße relativ lang über den
Tank strecken muß. Das alles macht sie in engen Kehren etwas störrisch. In
schnellen Kurven liegt sie dagegen sehr satt und macht aufgrund ihres Sound viel
Spaß beim Rausbeschleunigen. Die Bremse benötigt im Vergleich etwas Handkraft (2
Finger ist nicht), nette Details runden das Bild wie gesagt ab. Das Thema
Gepäckunterbringung ist für Fortgeschrittene, da das Verzurren einer Rolle wegen
der voluminösen hoch gelegten Auspuffanlage keine Sache von 2 Minuten ist.
Zm Abschluß komme ich zu den beiden "Einsteigermaschinen", zuerst bin ich die
Kawasaki ER6n
gefahren. Die Motorräder dieser Kategorie fahren mittlerweile richtig klasse.
Im Trockenen waren mir beim Instruktor-Hinterherheizen die Federelemente
naturgemäß zu schwammig, man muß aber auch zugeben, das Frank und ich da schon
sehr flott unterwegs waren. Die Bremse funktioniert gut, wenn man auch auf
Bodenwellen in Anbremszonen in den ABS-Regelbereich vorstösst.
Meines Erachtens die ganz große Stunde schlug beim
Super-Regen-Weltuntergangs-Siffwetter in den Vogesen: die Kawa wie auch die
Gladius vermittelten da ein dermaßen souveränes Gefühl der Sicherheit, das war
ganz phantastisch. Das etwas weichere Fahrwerk macht sich in solchen Fällen
offensichtlich doch sehr positiv bemerkbar. Ich war auf ER6 und Gladius
jedenfalls bei den schwierigen Bedingungen mit Abstand am entspanntesten
unterwegs.
Nicht gefallen an der ER hat mir das Digitalcockpit; es ist in diesem Fall zu
sehr Mäusekino mit schlechter Ablesbarkeit.
Die eben schon erwähnte
Suzuki Gladius
ist etwas erwachsener als die Kawa, auch wenn man die 2-Farb-Lackierung mit dem
rot-metallic mögen muß...Der Motor wirkt souveräner, hat zumindestens subjektiv
mehr Bumms als derjenige der ER und klingt vor allem besser. Bei Bremse und
Bedienung gibt es nichts zu meckern, passender japanischer Standard. Fahrwerk
und Bremse empfand ich ähnlich zur ER6.
Auch für die Suzi gilt, das sie insbesondere bei schwierigen Bedingungen viel
Vertrauen vermittelt und ich keine Rutscher oder Zucker wie z.B. auf der Street
Triple hatte. Insofern muß ich wirklich sagen, das mich die beiden positiv am
meisten überrascht haben!
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Ein paar Worte möchter ich noch zum Drumherum loswerden: unser Tourguide Frank
hat die Orga klasse im Griff gehabt und phantastische Strecken rausgesucht.
Für`s Regenwetter an den zwei Tagen konnte er nun mal nichts ;-)
Das Hotel war auch prima mit tollem Essen, guten Zimmern und einer familiären,
angenehmen Atmosphäre. Ach ja, und mit den Mitfahrern ließ es sich auch
aushalten *grins*
Insgesamt haben mir die Vogesen / das Elsass landschaftlich und von den Strecken
besser gefallen als der Alpen-Testride 2005 - gerne wieder!